Liebe Leserin, Lieber Leser,
wenn Sie sich die Entwicklungen der letzten Monate und Jahre einmal genauer betrachten, so folgt eine Hiobsbotschaft der Nächsten und vor lauter Negativschlagzeilen bekommen viele Menschen ein stärker werdendes flaues Gefühl in der Magengegend. In vielen Gesprächen in den letzten Wochen ist mir aufgefallen, dass Kongressteilnehmer und Seminarbesucher vor den aktuellen Krisen fast erstarren und diesen oft mit Ratlosigkeit und auf der Suche nach Führung begegnen. Deshalb möchte ich gemeinsam mit Ihnen einmal beleuchten, was Sie aus der Krise in Zypern für sich als Leader/-in lernen können.
Krise = Chance ??
Jede Krise, egal wie schlimm sie ist und unabhängig davon, ob sie nun auf internationaler Ebene oder „nur“ auf einer sehr persönlichen Ebene passiert, bietet viele Gelegenheiten, daraus zu lernen und beinhaltet wichtige Lehren für die Zukunft. Natürlich kennen Sie alle so schlaue Aussagen wie „In jeder Krise steckt eine Chance“ oder „Eine Krise ist nur eine Lösung verpackt in einem Problem“ und so weiter. Doch darum geht es heute nicht.
Positives Denken ist sicher sehr wichtig, jedoch wie alle Hilfsmittel im Leben genügt es alleine nicht. Wenn Sie von einem Drogenabhängigen, der auf der Straße lebt und dringend Geld für den nächsten „Schuss“ braucht mit vorgehaltener Waffe überfallen werden und er aufgrund der Tatsache, dass Sie kein Bargeld dabei haben die Kontrolle verliert, hektisch wird und auf Sie aus Angst schießt, dann hilft es Ihnen nicht viel positiv zu denken.
Bin ich gegen positives Denken? Nein, im Gegenteil. Aber die Augen vor der Realität zu verschließen hilft nichts. Viel mehr beinhaltet selbst eine solche Situation eine Menge an Lehren, die Sie für sich und ihr Leben lernen sollten. Doch warum ist eine Krise eine Chance?
Einer der einflussreichsten Bankiers des letzten Jahrhunderts und Begründer der Rothschild-Banken-Dynastie soll einmal gesagt haben:
„Wenn Blut in den Straßen fließt, dann kaufe, was Du kriegen kannst.“
Auf den ersten Blick ein sehr hartes und auch abstoßendes Zitat, denn es verstößt bei den meisten gegen ihr eigenes Wertesystem und viele von Ihnen würden eine solche Handlungsart verabscheuen und auch verurteilen. Doch was steckt hinter einer solchen Aussage? Nun, zum einen ganz offensichtlich, dass es im Falle einer schlimmen Krise oder in dem Fall gar eines Krieges, offensichtlich viele Investitionsmöglichkeiten zu geben scheint – auch, wenn man das auf den ersten Blick nicht wahr haben will.
Zur rechten Zeit, am rechten Ort
Wenn man dies so betrachtet, dann würde dieses Zitat ja bedeuten, dass man nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein muss. Haben Sie das schon einmal gehört? Die Frage, die Sie sich stellen sollten ist jedoch, ob dies so stimmt.
Es gibt also im Moment viele Krisen auf der ganzen Welt, was die Frage, wo der richtige Ort wäre von selbst beantwortet. Es gibt also derzeit viele „richtige Orte“ auf der Welt. Und da diese Krisen zurzeit stattfinden, bedeutet dies auch, dass es die „richtige Zeit“ ist. Und was machen Sie nun mit dieser richtigen Zeit und dem richtigen Ort? Die meisten von Ihnen werden damit nichts anzufangen wissen, denn der Satz „Zur rechten Zeit am rechte Ort.“ stimmt nicht ganz, denn es fehlt eine ganz wichtige Komponente. Und diese Komponente ist „die richtige Person“.
Denn selbst, wenn Sie jetzt vor oder während der Zypern-Krise in Zypern wären, so wären Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort, jedoch wüssten die meisten von Ihnen nicht wie Sie daraus eine Investitionsmöglichkeit kreieren könnten und ob Zypern derzeit überhaupt eine entsprechende Chance bieten würde.
Die richtige Person?
Doch was bedeutet es, die „richtige Person“ zu sein? Wenn Sie sich einmal das Zitat des Gründers der Rothschild-Banken-Dynastie genauer ansehen, so steckt in diesem Zitat viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Denn, um in einer solch schlimmen Situation, die das Zitat beschreibt, kaufen zu können, Bedarf es mehr als nur Geld oder Gold. Doch was ist das?
Viele von Ihnen kennen einen bildlichen Vergleich, der in der Networkmarketingbranche von einem großen Mann oft gebraucht wurde. Lawrence Thompson benutze gerne das Bild von zwei Aktenkoffern, die er Ihnen anbietet. Der eine Aktenkoffer ist gefüllt mit 300.000,- USD oder Euro und der andere Aktenkoffer ist gefüllt mit Fähigkeiten – Fähigkeiten zu führen, zu präsentieren, richtig aufzutreten etc.
Lawrence Thompson fragte seine Zuhörer dann oft, für welchen der beiden Koffer sie sich entscheiden würden. Viele würden gerne den Aktenkoffer mit den 300.000,- USD. Doch damit diese 300.000,- USD für die Zuhörer, die sich dafür entschieden haben, einen Gegenwert bekommen müssten, also zu mehr werden als nur bedrucktes Papier, müssten diese Zuhörer das Geld verwenden. Wie lange könnten Sie mit 300.000,- USD leben? Wie viele Jahre? 3, 5 oder 10 Jahre? Und was wäre dann?
Nun, mit dem Aktenkoffer, der Fähigkeiten beinhaltet, hätten die Zuhörer nicht sofort 300.000,- USD oder Euro, aber sie würden Fähigkeiten erlernen, die sie in die Lage versetzen würden, dieses Geld zu verdienen. Und was dann? Nun auch diese Zuhörer müssten das Geld verwenden, damit es zu mehr werden würde als nur bedrucktes Papier. Und was wäre nach den Jahren, wenn das Geld aufgebraucht wäre? Nun, diese Zuhörer hätten die Fähigkeiten, dann wiederum 300.000,- USD oder Euro (oder welche Summe auch immer) zu verdienen.
Viele von Ihnen werden dieses Beispiel kennen. Es ist ein bildlicher Vergleich, der sehr plastisch vorführt, was viele Menschen logisch verstehen, aber emotional fast nie umsetzen.
Zypern – oder der richtige Ort zur richtigen Zeit?
Die entscheidende Frage ist also nicht so sehr, ob Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, sondern viel mehr, ob Sie auch die Fähigkeiten haben – also die richtige Person sind. Doch welche Fähigkeiten sind das?
Nun, genau hier möchte ich nun mit Ihnen gemeinsam ansetzen und einmal betrachten, welche Fähigkeiten in der Zypern-Krise eingesetzt wurden, von den Führern des Landes und der EU; welche Auswirkung diese hatten, kennen die meisten ja, aber was Sie als Führungskraft davon für Ihre eigene Führungsarbeit lernen können. Denn auch in Ihrem Leben, im Leben Ihrer Organisation und/oder in Ihrem Unternehmen, kann es zu Krisen kommen. Es wäre doch wirklich verschwendetes Potenzial, wenn Sie sich erst nach Eintreten einer Krise darüber Gedanken machen würden – was übrigens die meisten Menschen tun.
In kurzen Worten ist in Zypern folgendes passiert. Die Banken des Landes haben international Anleger mit niedrigen Steuern und hohen Zinsen gelockt, ihr Kapital nach Zypern zu bringen. Aufgrund der Lage der Insel, hat es viele Investoren aus der östlichen Weltkugel angezogen. Nun hatten die Banken in Zypern viel Geld und waren gezwungen, dieses Geld anzulegen, damit sie wiederum ihren Kunden die versprochenen Zinsen bezahlen konnten.
Banken verdienen klassischerweise ihr Geld durch die Vergabe von Krediten (auch Finanzierungen genannt) und so wurden massenhaft griechische Staatsanleihen gekauft. Eine Staatsanleihe ist nichts anderes als ein Kreditvertrag, den der Käufer mit dem Staat abschließt, von dem er die Staatsanleihe kauft. Da nun Griechenland massive Probleme hatte und die griechischen Staatsanleihen innerhalb einer bestimmten Zeit fast wertlos waren, Griechenland auch seinen Zinszahlungen nicht so nachkommen konnte wie es notwendig gewesen wäre, hatten die Banken Zyperns ein Problem. Ihr eigenes Geld (auch Eigenkapital genannt) reichte nicht aus um die verlorenen Gelder aufzufangen und auch nicht, um die Zinsen zu bezahlen, also musste „frisches Geld“ her. Dies führte dazu, dass die Regierung Hilfe bei der EU beantragte und im Rahmen dessen, Bedingungen von Seiten der EU, des internationalen Währungsfonds und der europäischen Zentralbank gestellt wurden. Dies führte zur Teilenteignung der Vermögen der Investoren und zu den aktuellen Entwicklungen, die Sie aus den Nachrichten kennen.
Schauen wir uns nun einmal an, was Sie als Führungskraft daraus lernen können.
Die Lehren und Fähigkeiten
Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und diese auch auf längere Sicht zu bedenken.
Diese Fähigkeit wurde in mehrfacher Hinsicht nicht hilfreich gebraucht. Zum einen sind die Banken vor lauter Gier,dem Irrglauben auf einem nie mehr versiegenden Brunnen von frischem Kapital zu sitzen und einer völlig falschen Einschätzung der Lage, in eine klassische Casino-Rolle gerutscht.
Stellen Sie sich einmal eine Frage: Würden Sie in einem Spielcasino all Ihr Geld beim Roulette auf eine einzige Zahl setzen? Nun, Ihre Chance wäre 1 zu 37 oder in Prozent 2,7 %. Das bedeutet, es gib 36 Gelegenheiten falsch zu liegen und nur 1 Gelegenheit, richtig zu liegen. Zum Spaß mit einem kleineren Betrag machen Menschen dies, jedoch gewinnt auf Dauer immer die Bank, denn die Höhe des Einsatzes ist auch durch das Maximum beschränkt. Hier wurde also schon die erste Weiche für das Fiasko gestellt, in dem zu viel Geld auf nur „eine Karte“ – nämlich griechische Staatsanleihen im großen Stil – gesetzt. Doch diese Fähigkeit wurde noch öfter nicht hilfreich genutzt.
Erinnern Sie sich an das eingangs von mir verwendete Beispiel des Überfalls durch einen drogenabhänigen Menschen? Auch dort kann der richtige Gebrauch dieser Fähigkeit Sie davor bewahren, überhaupt in eine solche Situation zu kommen. Durch die Entscheidungen zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Straße, auf einer bestimmten Straßenseite zu passieren und dabei die Umstände (Lage, örtliche Gegebenheiten wie z.B. geht man richtig um eine Ecke herum, nähert man sich einem Haus- oder Toreingang, auf welcher Straßenseite bewegt man sich etc.) richtig einzuschätzen und zu berücksichtigen, spielt eine große Rolle, ob Sie sich letztlich in einer solchen Situation wiederfinden oder eben auch nicht. Schwarzmalerei sagen Sie? Nun fragen Sie mal Menschen, die überfallen worden sind, wie viel Gedanken sie sich im voraus gemacht haben und wie unerwartet sie von der Situation überrascht wurden?
Die Fähigkeit, richtig zu kommunizieren
Viel zu schnell und völlig unkontrolliert wurden die Bedingungen der Troika (EU, IWF und EZB) nach außen kommuniziert, ohne darüber nachzudenken, welche Folgen diese haben könnten. So machte anfangs die Nachricht die Runde, dass auch die kleinen Sparer teilenteignet werden sollten. Selbst als dies dann durch eine spektakuläre Ablehnung im Parlament aufgehoben wurde und es Nachverhandlungen geben musste, war so viel Vertrauen verloren, dass jeder weitere Schritt von der gesamten Bevölkerung abgelehnt werden würde.
Auch nachdem klar war, dass nur Vermögen ab 100.000,- Euro und auch nur bei bestimmten Banken herangezogen werden, machten ständig neue Prozentsätze die Runde, was einbehalten werden würde. Von 40% bis 100% ist nach wie vor alles möglich. Eine klare Kommunikation und Kenntnis der tatsächlichen Situation vermittelt Vertrauen und Kontrolle – etwas wonach Menschen in Krisen suchen.
Die Fähigkeit, Verhandlungen richtig zu führen und die Dynamik zu verstehen
Bereits in der ersten Verhandlungsrunde war die Luft für Zypern so knapp, dass Zypern alles akzeptieren musste, was die Troika forderte. Selbst nachdem das zypriotische Parlament die ersten Bedingung fast einstimmig abgelehnt hatte, konnte die Troika auf Zeit „spielen“ – Zeit, die Zypern nicht hatte. Dies führte letztlich dazu, das es Zypern nicht gelungen ist die beiden großen Verhandlungsparteien Troika und Russland gegeneinander auszuspielen und so zum Spielball der beiden wurde.
Die meisten Führungskräfte wissen zum Beispiel nicht, dass 80 bis 90 % aller Zugeständnisse in Verhandlungen, in den letzten 20% der Zeit einer Verhandlung gemacht werden. Dies passiert, weil der Faktor Zeit verrinnt und die Partei, die die Zugeständnisse macht, unbedingt doch noch zu einem Abschluss kommen will. Die Fähigkeit, richtig zu verhandeln, die Dynamik einer Verhandlung zu verstehen und um die Prozesse vor, während und nach einer Verhandlung zu wissen, ist essentiell wichtig für eine gute Führungskraft. Dies ist der Grund, weshalb ich sehr häufig gebucht werde um Verhandlungen zu begleiten, und die Teilnehmer darauf richtig vorzubereiten.
Die Fähigkeit, in jeder Situation authentisch zu sein
Durch ihren Schlingerkurs hat die zypriotische Regierung einen sehr großen Schaden gegenüber dem eigenen Volk, das letztlich stark unter der Krise leidet, verursacht. Und damit ist nicht nur der materielle Schaden gemeint, sondern vor allem der Vertrauensschaden. Deshalb vergeht zurzeit auch kein Tag, an dem nicht neue Anschuldigungen an den Tag kommen, in welchen Politikern und Führungskräften des Landes schwere Versäumnisse und Bevorzugungen der eigenen Familie und Freunden vorgeworfen wird. Und Sie können sich sicher sein, dass dies erst die Spitze des Eisbergs ist.
Authentizität ist als Führungskraft sehr wichtig, und gerade in Krisen, wenn Menschen auf der Suche nach Führung sind, werden sie eher einer Führungskraft folgen, die authentisch ist und deren Handlungen mit dem übereinstimmt, was die Aussagen betreffen als umgekehrt. Bedenken Sie immer: Gerade in Krisen suchen Menschen/Mitarbeiter nach Führung, weil sie oft nicht weiter wissen. Hier sind Sie als Führungskraft gefragt.
Dies sind vier der wichtigsten Fähigkeiten, die Sie als Führungskraft kennen und beherrschen sollten. Darüber hinaus gibt es noch weitere Lehren, die sich aus der Situation in Zypern ziehen lassen. Doch „First things first“.
Leadership-Aufgabe:
- Überprüfen Sie bei sich diese vier Eigenschaften und fragen Sie sich ernsthaft, wie es bei Ihnen als Leader/-in in diesen vier Bereichen aussieht. Geben Sie sich dabei einen Wert von 0 bis 10, wobei 0 für „gar nicht vorhanden“ steht und 10 für „absolut perfekte Beherrschung“ steht.
- Wenn Sie das gemacht haben, dann lassen Sie sich einmal von drei verschiedenen Personen bewerten, denen Sie diesen Artikel zum Lesen geben, und die danach, Sie in Bezug auf diese vier Fähigkeiten bewerten sollen. Eine Person sollte aus Ihrem privaten Umfeld stammen und nichts mit Ihrem Beruf zu tun haben. Die zweite Person sollte aus Ihrem beruflichen Umfeld stammen (und wenn Sie mutig sind dann nehmen Sie den oder die schlechteste Mitarbeiter/-in). Und die dritte Person dürfen Sie frei wählen.
- Zählen Sie danach die Bewertungen der drei Personen in der jeweiligen Kategorie zusammen und teilen Sie durch 3. Wenn das Ergebnis von Ihrer Bewertung in der jeweiligen Fähigkeit um mehr als 2 abweicht, sollten Sie dringend an der Fähigkeit arbeiten. Wenn sich die Bewertungen gleichen oder Sie in einer Fähigkeit weniger als 6 haben, dann sollten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein arbeiten und die Fähigkeit weiterentwickeln.
- Und wenn Sie sich selbst 8 oder höher gegeben haben, so fragen Sie sich einmal, ob Sie anstelle der zypriotischen Leader alles richtig gemacht hätten.
Denken Sie immer daran: Es sind Ihre Handlungen, die Sie in den Augen der Menschen, die Sie führen, zum Leader/-in machen.
Herzlichst,
Ihr Coach Nuno F. Assis