Liebe Leserin, Lieber Leser,
nun es ist schon eigenartig wie das Leben so spielt, denn kaum haben wir über dieses Thema geredet, so wurde mein System auf eine harte Probe gestellt. Auslöser war ein Unfall, der eine erhebliche Verletzung meines rechten Oberschenkels nach sich zog und in Folge dessen ich nicht mehr in der Lage war die üblichen Routinen und Vorgehensweise (auch Muster genannt) zu verfolgen. Unfähig zu sitzen, mich geeignet fortzubewegen, an Krücken gebunden und an die horizontale gefesselt, war ich in den letzten 4 Wochen gezwungen nachzudenken. Ein Schicksalsschlag.
Und dies möchte ich in der heutigen Ausgabe gemeinsam mit Ihnen tun. Deshalb ist diese Ausgabe der „Frage der Woche“ zum Thema Schicksalsschlag auch etwas umfangreicher, als andere Ausgaben. Mein Tipp: Drucken Sie diese Ausgabe aus und machen Sie sich Notizen während Sie lesen.
Das Leben besteht vor allem aus Routinen und Muster. Jeder Tag, an dem wir handeln und leben machen sie den größten Teil unseres Lebens aus. Viele Menschen leben nach einer sozial akzeptablen Vorlage, die eine Sicherheit vorgibt, während sich ihr Leben immer nach dem gleichen Schema wiederholt. Dabei träumen diese Menschen meist von Möglichkeiten, um zu entkommen. Das beste Beispiel ist der derzeitige Lottojackpot in Italien, der viele Menschen und selbst Kommunen davon träumen lässt all ihre Sorgen auf einen Schlag loszuwerden. Doch stimmt das?
Recht früh in meinem Leben (beruflich wie auch privat) wurde ich in Situationen gebracht, die mich dazu brachten das System nachdem ich lebte in Frage zu stellen und ich entwickelte eine Revolte gegen diese Form von Routinen. Ich sah sie als den Feind des Abenteuers und eines spontanen Lebens. Doch ich habe auch festgestellt, dass Routinen glücklich machen können. Im Laufe der Zeit erkannte ich, dass die täglichen Ereignisse und Geschehnisse, die in der konventionellen Sichtweise der Klassifizierung „normal“ einzuordnen sind, oft außergewöhnlich sind, wenn wir sie richtig betrachten.
Ich habe entdeckt, dass, selbst wenn Sie derzeit nicht genau dort sind, wo Sie sein möchten, dies nicht bedeutet, dass das Leben jetzt nicht schön oder angenehm ist. Und das Beste daran ist, Sie müssen gar nicht viel unternehmen oder tun, um es schöner zu machen. Es ist bereits schön. Alles was Sie tun müssen ist – öffnen Sie Ihre Augen.
Nun was kann schön daran sein, wenn man sich eine erhebliche Verletzung zugezogen hat, die einen davon abhält sich normal zu bewegen, es unmöglich macht 80 % seines normalen Alltags zu bestreiten und die einen auch noch davon abhält, bereits gebuchte Reisen und Auftritte im Ausland, durchzuführen?
Schicksalsschlag – Sehen die Dinge anders
Wir sind ständig umgeben von Wundern, aber wir erkennen sie nicht, weil sie zu uns zu „normal“ erscheinen und nahtlos ineinander übergehen. Nehmen wir einmal eine so selbstverständliche Sache, wie den Gang zur Toilette und die damit verbundene „Sitzung“, die für uns meist als nichts Besonderes erachtet wird. Nun ja, zumindest so lange, bis Ihnen so etwas passiert wie mir und sie nicht mehr sitzen können und in den verrücktesten Verrenkungen diese „Selbstverständlichkeit“ versuchen müssen zu erledigen. Mehr Details erspare ich Ihnen hier einmal.
Oder haben Sie schon einmal daran gedacht, wie viele verschiedene Prozesse organisiert werden müssen, einfach nur um Ihnen die Erfahrung zu ermöglichen, die Sie im Moment erleben? All die kleinen Selbstverständlichkeiten, die Sie und andere getan haben, damit Sie jetzt, über den vorangegangenen Absatz schmunzeln können? Stellen Sie sich einmal vor, wenn jeder dieser selbstverständlichen Schritte eine bewusste Entscheidung und damit mit einer bewussten Anstrengung verbunden wäre? Stellen Sie, sich vor Sie müssten bewusst über jeden Atemzug nachdenken? Sie müssen es nicht, es passiert einfach. Ist das nicht erstaunlich?
Nun multiplizieren Sie all diese Selbstverständlichkeiten mit dem Faktor einer Billion. Jeder Atemzug, jede Bewegung und jede Bedingung, die Ihnen die Möglichkeit gibt jetzt zu leben, ist ein Wunder. Doch wir merken es meist erst dann, wenn wir durch Schicksalsschläge daran erinnert werden.
Der Alltag überflutet uns mit immer neuen Anforderungen und unseren To-Do-Listen. Oder wir sind gefangen im Drama der nicht wirklich wichtigen Dinge. Die Erkenntnis, dass diese Schönheit uns in jedem Moment umgibt und möglich ist, erfordert einfach einen etwas anderen Blickwinkel von uns. Und damit befinden wir uns direkt auf der 4. Und 5. Entwicklungsebene der nachhaltigen Lebensveränderung – einer „Neuen Sicht der Welt“ und einer „neue Sicht unserer eigenen Person“.
Langeweile durch Routine ist letzten Endes eine Schöpfung des Geistes, die genährt wird durch den andauernden Konsum und das System in dem wir leben. In der Realität gibt es an sich keine ordentlichen oder außerordentlichen Momente. Schönheit gibt es überall. Wenn Sie dies wirklich erkennen und verstehen, können Sie in jedem Objekt und Moment um Sie herum Schönheit finden. Sie werden Schönheit beim längeren und genaueren Betrachten eines Steines finden, ebenso wenn Sie einer Ameise bei Ihrer Arbeit genau zusehen.
Ein paar leichte Veränderungen in Ihrer Betrachtungsweise, die stattfinden können (denn Sie haben wie immer im Leben die Wahl), und schon können Sie einen Zustand ständigen Bewusstseins erleben. Eist gelingt es den Menschen nur kleinen Augenblick der Schönheit des Lebens einzufangen, die Monotonie der Routinen sie wieder gefangen nimmt. Wir verlieren Achtsamkeit.
In den vorangegangenen Ausgaben der „Frage der Woche“ haben Sie gesehen, dass der Wechsel der Perspektive in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsvolumen, Sie in die Lage versetzt erhebliche Veränderungen in Ihrem beruflichen Alltag umzusetzen.
Bedingt durch meinen Unfall und die daraus resultierenden Folgen bin ich „gezwungen“ meine Zeit und meinen Umgang damit zu überdenken. Da ich zusätzlich auch noch limitiert bin in den Möglichkeiten meiner Bewegung und Leistungsfähigkeit, musste ich meine eigene Achtsamkeit wachrütteln und mir andere Fragen stellen.
Natürlich wäre es leicht gewesen zu sagen: „Okay ich bin verletzt und ich kann nicht arbeiten, also find eich mich damit ab.“ Doch ist es das, was mein Leben ausmacht? Rufe ich zum Ignorieren des Heilungs- und Schonungsprozesses auf? NEIN.
Viel mehr sehe ich die Schönheit und Gelegenheit, die mir das Leben in diesem Schicksalsschlag gibt. Am eigenen Körper einerseits die Kraft der Heilung verfolgen zu können und zu beobachten welche massiven Verletzungen der Körper zu heilen vermag. Und andererseits die Freiheit meines Denkens zu nutzen, um der „Entweder/Oder“-Frage zu entkommen und auch hier die Schönheit zu entdecken.
Durch die oben beschriebenen Handicaps und Hintergründe, habe ich in den letzten Wochen beobachtet, wann mein Körper mir gestattete zu arbeiten und wann er Ruhe benötigte. Bedingt durch das viele Liegen und damit verbundene Ruhen, haben sich nämlich mein Wach- und Schlafzyklus erheblich verschoben. Eine Vielzahl von Arztterminen und die darauf folgende Erschöpfung wiederum, zwangen mich ebenfalls dazu meinen Tagesablauf erheblich zu verändern und damit auch meine Art zu arbeiten.
Nachfolgend habe ich Ihnen die wichtigsten Erkenntnisse dieses Schicksalsschlags zusammengefasst in 4 Kernbeobachtungen und wie ich diese in meinem Alltag umgesetzt habe.
1. Kernerkenntnis: Üben Sie sich im Zuhören
Einer der größten Hindernisse auf Ihrem Entwicklungsweg, alle außergewöhnlichen Momente des Lebens wahrzunehmen ist, dass wir oft nicht aufhören zu hören. Wir sind zu sehr damit beschäftigt andauernd mit uns selbst zu reden (innerer Dialog). Wenn wir die ganze Zeit nachdenken (also mit uns selbst reden), leben wir in einer Welt voll von Symbolen. Das was wir „unsere eigene Realität“ nennen, ist eine Welt der selbstgeschaffenen Abstraktionen über die Wirklichkeit; Worte, die beschreiben, bezeichnen und die Dinge kategorisieren. Dies kann ein wunderbares Instrument für die Kommunikation miteinander sein, aber es kann auch ein Fluch werden, wenn es außer Kontrolle gerät.
Wenn wir immer denken, befinden wir uns nie in einer Beziehung mit der Realität. Um eine Intimität mit dem Leben zu erfahren, ist es wichtig zu lernen seine Betrachtungsweise zu öffnen und zu lernen richtig zu zuhören. Stellen Sie sich vor, jedes Mal, wenn Sie mit jemandem interagieren, wären Sie die einzige Person die andauernd spricht. Es würde keine Kommunikation zustande kommen, weil die andere Person nie eine Chance bekommen würde zu sprechen. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Kommunikation mit dem Leben.
Statt sich die ganze Zeit in seinen eigenen Gedanken und seinem inneren Dialog zu verlieren, können Sie auch Ihr Lebenstempo verlangsamen und einmal zu hören was Ihnen die Welt um Sie herum sagen möchte. Stellen Sie Ihre Konzentration um auf Zuhören. Wenn Sie feststellen, dass Sie in Ihren Gedanken Abschweifen, dann rücken Sie den Fokus sanft wieder zu recht und fokussieren sich aufs Zuhören.
Durch diese erste Erkenntnis gelang es mir innerhalb von wenigen Tagen darauf zu hören, was mein Körper mir sagen wollte durch den veränderten Schlafrhythmus, durch die veränderte Leistungsfähigkeit und durch die Heilungsphasen. So lernte ich zum Beispiel, dass ich durch diese Veränderungen in der Zeit von 01:00 bis 05:00 Uhr morgens nun am produktivsten bin und in dieser Zeit in der Lage bin meine Artikel und Publikationen zu verfassen. Dieser Artikel entsteht gerade in dieser Zeit.
Auch lernte ich, dass mein Körper es mir dankte wenn ich mein Bein in einer bestimmten Position lagern konnte und mit einem lustig anmutenden Konstrukt in der Lage war halb liegend, halb sitzend, ohne das verletzte Bein belastend schreiben kann. Durch dieses bewusste Achten auf die Bedürfnisse meines Körpers und was den Heilungsprozess fördert, entdeckte ich auch, dass die Kombination aus drei Tassen Yerba Mate Tee (einer speziellen Teesorte aus Lateinamerika) und einem Liter stillem Wasser im selben Zeitraum, sich extrem gut auf meine Konzentrationsfähigkeit auswirkten und das Wohlbefinden erheblich unterstützten.
Von alleine wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass ich in dieser Zeit auch nur annähernd produktiv sein kann. Dadurch gelingt es mir dann tagsüber meine restlich anfallende Arbeit in anderen Zeitblöcken zu organisieren, wobei ich fast 90 % meiner Arbeit in der oben genannten Zeit abwickeln kann und den Rest des Tages wirklich ausruhen kann und mich auf die Dinge konzentrieren kann um den Heilungsprozess zu fördern und all die anderen Termine bei Ärzten etc. wahrzunehmen.
In der kommenden Frage der Woche, werden wir uns mit den nächsten Kernerkenntnissen die aus diesem Schicksalsschlag resultieren, beschäftigen und wie sich diese in den Alltag integrieren lassen können.
Machen Sie doch einmal folgenden Versuch:
Setzen Sie sich in den nächsten Tagen einmal auf eine Parkbank oder auf einen Rasen und nehmen Sie sich einen Stein zur Hand. Betrachten Sie diesen Stein einmal ganz genau für mindestens 20 Minuten ununterbrochen und achten Sie darauf, welche Kleinigkeiten Ihnen noch auffallen und wie sich Ihre Wahrnehmung des Steins verändert in dieser Zeit.
Ihr Coach
Nuno F. Assis